Cherry, der "liebe Wolf"

Cherry kam Anfang 2012 als "einsamer, noch sehr junger Wolf", geschätzt gerade mal ein halbes Jahr alt, nicht nur mit sicherlich gebrochenem Herzen, sondern auch mit gebrochener Vorderpfote ins Erfurter Tierheim, wo er auch seinen Namen erhielt.

Lange Zeit als Deutscher Schäferhund-Mischling angesehen und drei Operationen später, schob man sein, allem Neuen gegenüber meist gezeigtes, reserviertes bis scheues, stellenweise aber auch defensiv-aggressives Verhalten auf die möglichen schlechten oder eben fehlenden Erfahrungen aus seinem "Leben vor dem Tierheim".

Nachdem unser vermeintlicher "Deutscher" nun im Prinzip einige Monate "hinter Gittern" aufwuchs und seine Jugend "auf dem Lutherstein" verbrachte, zeichneten sich nach und nach immer mehr natürliche, feste Wesenszüge & Verhaltensweisen ab, welche seine offensichtliche tschechische Herkunft nicht mehr leugnen ließen. Auch die mit der Zeit erreichte endgültige Gestalt und das Aussehen deuteten im optischen Vergleich klar darauf hin: vor uns steht ein Tschechoslowakischer Wolfhund oder zumindest ein Mischling, dessen Gene zum größten Teil von einem Wolfhund vererbt wurden.

Interessierte Besucher hielten sich leider in Grenzen, da äußere Schönheit bekanntlicherweise nicht alles ist und Cherry sich bei jedem Zaungast stets von einer seiner beiden "wölfisch besten Seiten" zeigte. Das bedeutete, er zeigte sich entweder gar nicht, da er sich in seiner Hütte verkroch oder man konnte ihn live & in Farbe direkt am Zaun mit hochgestelltem Haarkleid, entblößten Zähnen und mächtig Krawall begutachten, bevor er sich doch lieber wieder zurück zog.

Nach einem Fernsehauftritt und der Fast-Vermittlung nach Hannover lenkte das Schicksal doch noch rechtzeitig ein und so kam es wie es kommen musste. Damit Cherry nach guten anderthalb Jahren nun endlich auch einmal die Welt außerhalb des Tierheimzaunes kennenlernen durfte, um erkennen zu können, dass sie gar nicht so gefährlich ist, wie es durch das Gitter immer schien, wurde der Plan geschmiedet, dass das "Wölfchen" 14 Tage "Urlaub" bei Mathias zuhause genießen darf. Doch beim Plan sollte es auch bleiben. Denn wie die aufmerksamen Kolleginnen bereits vorausahnten, wurde Cherry seitdem nur noch zu Besuch im Tierheim gesehen. Schließlich hatte er sich sein neues Herrchen ja auch schon längst ausgesucht. Nicht umsonst war Mathias, jedem offensichtlich, nur ihm selber nicht, der einzige Mensch, auf den Cherry (in den meisten Fällen) auf Anhieb hörte, wobei meistens auch einfach nur ein Blick reichte...

Es war wirklich ein langer Weg, für Hund & Mensch. Doch er hat sich ganz bestimmt gelohnt. Denn wer den "Wolf" aus dem Tierheim kennt, der kann kaum glauben, wie Cherry sich bis heute entwickelt hat. Natürlich hat er immer noch seinen eigenen Kopf und ihm sinnlos erscheinende "Befehle" muss er nicht befolgen, dafür verdient sein Sozialverhalten gegenüber Artgenossen eine 1+ und gegenüber Zweibeinern bekommt er mittlerweile locker eine 2. Leider scheinen viele Leute immer noch nicht zu verstehen, dass ein "Schau mir in die Augen, Kleines!" ganz bestimmt nicht zu den Wünschen eines Hundes gehört. Daher gibt es doch noch ab und zu die Momente, in denen Cherry mit seinem absolut natürlichen "hündisch" mal eben kurz eine Ansage macht.

Alles in allem ist und bleibt unser "lieber Wolf" ein toller und erstaunlicher Hund mit noch erstaunlicheren Macken, die zwar hin und wieder ein paar Nerven kosten können, man sie aber irgendwann vermissen würde... Sollten Sie uns also in nächster Zeit mal "beschnuppern", dann überlassen Sie Cherry gern die Entscheidung, wann er sich Ihnen nähert. Spätestens wenn Sie einmal seine Zunge zu spüren bekommen, werden Sie sehen, welch' weicher Kern in so einer rauhen "Wolfsschale" steckt.

zurück